Manchmal wache ich nachts auf und habe Angst, manchmal bin ich dann auch nur verstört, oder empfinde ein vages Unbehagen. Bei einer dieser Gelegenheiten lag ich lange wach und grübelte über Iwan Petrowitsch Pawlow, Jeremy Bentham und Gordon Moore nach. Das Ergebnis ist hier wiedergegeben. Ich verschenke diese Vignette mit der Maßgabe, daß niemand außer mir - in welcher Form auch immer - dafür Geld verlangen darf.
„Das war ja viel leichter, als ich gedacht hatte“ ging es durch seinen Kopf. Diese Schwachköpfe! Der älteste Trick, Seife fressen, ins Krankenrevier kommen, raus aus dem Sicherheitstrakt. Und dann kommt der Arzt zu mir und fragt, ob ich mir die Polypen rausmachen lassen will – na klar, krieg sowieso nachts immer schlecht Luft, und ich kann eine Woche länger im Revier liegen, hab Zeit, nach Fluchtmöglichkeiten zu suchen. Mußte 'n Formular unterschreiben, hab's gar nicht gelesen. Und zwei Tage danach dann die Gelegenheit zum Abhauen. Wäschereilaster, zweitältester Trick. Die lernen auch gar nichts. In ein paar Minuten war ich 'n Kilometer weit weg, an 'ner Ampel Heckklappe aufgemacht und raus. Aber wohin soll ich jetzt? Nur weg von dem Kasten. Wo ist er eigentlich? Da hinten? Zum Abschied wink ich noch mal. Ciao, warst eigentlich von all den JVAs nicht die schlechteste, muß ich zugeben. Seltsam, jetzt, wo ich draußen bin, kommt's mir gar nicht mehr wie ne gute Idee vor, daß ich abgehauen bin. Hätt nur noch 15 Monate gehabt. Ob die mir viel aufbrummen, wenn ich freiwillig zurück – Nein, dreh dich wieder um und geh weiter! ...aber andererseits, die erwischen mich ja doch. Zurück? Zurück? Wo ich schon so weit bin? Man kann das Dach vom Knast von hier aus gerade noch sehen. Ich glaub es ist doch besser... Kenn ja draußen keinen mehr... Und da drin ham sie mich eigentlich anständig behandelt... Wenn ich Glück hab bin ich in knapp 2 Jahren raus...
„Das war ja viel leichter, als ich gedacht hatte“ ging es durch seinen Kopf. Diese Schwachköpfe! Haben zwar nicht verstanden, worum es geht, aber weil es vom Innenministerium gefördert wird, haben sie es brav abgenickt. Der Gefängnisarzt ist zum Glück ein passabler Chirurg, und vor einer Woche haben wir dann eine geeignete Versuchsperson gefunden. Kleinkrimineller, Wiederholungstäter, aber nicht gewalttätig, also kein wirkliches Risiko. Und er hatte nur seinen Ausbruch im Sinn, hat keinen Verdacht geschöpft, als ihm der Arzt die Polypen in Vollnarkose entfernte. Der Mikrochip ist zum Glück so klein, daß er endoskopisch durch die Nase eingepflanzt werden konnte, es gibt also keinen verräterischen Einschnitt in der Kopfhaut. Mal abwarten, ob's funktioniert. Wenn alles glatt geht, wird es dem Strafvollzug immense Summen einsparen – und mir einen Staatssekretärsposten einbringen...
„Das war ja viel leichter, als ich gedacht hatte“ ging es durch seinen Kopf. Diese Schwachköpfe! Ich hätte vielleicht noch mehr verlangen können, aber dann hätte ich den Auftrag möglicherweise nicht bekommen. Es ist immer wieder verblüffend, wie wenig Ahnung ein Laie von den Möglichkeiten der Mikroelektronik hat. Aber ich weiß, was man heute alles auf einem millimetergroßen Siliziumsplitterchen unterbringen kann: Einen GPS-Empfänger, ein kleines Gate-Array mit der Entscheidungslogik, eine Spule für die magnetische Programmierschnittstelle, einen Pulsgenerator zur Nervenreizung, eine Nano-Elektrode für die Verbindung zum Zentralnervensystem, und betrieben wird das Ganze mit Strom aus einer elektrochemischen Mikrozelle, die die Gewebsflüssigkeit als Elektrolyt benutzt. Irgendwie schon genial, abhängig von der geographischen Position und der Bewegungsrichtung das Belohnungszentrum mehr oder weniger stark zu reizen. Eine bessere Orientierungshilfe ist wohl kaum vorstellbar...