Der Pausenclown

  - oder der Mann mit dem Unterhaltungswert -  

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    Gestern hatte ich mal wieder ein "Aha!"-Erlebnis.

    Vielleicht muß ich da vorher ein bißchen ausholen. Der "Mann mit der Bohrmaschine" ist ja wohl allgemein bekannt, oder?

    Falls nicht, es dauert nur vier Minuten:

    Diese gutmütige und einfältige Unterspezies des Homo Masculinus ist jedoch nicht die einzige, deren Vertreter von Frauen in heimtückischer und schändlicher Weise ausgenutzt und gedemütigt werden, ohne daß ihnen klar wird, wie jämmerlich man (bzw. frau) sie verarscht. Der Wiener kennt übrigens einen nahen Verwandten des "Mannes mit der Bohrmaschine" unter der Bezeichnung "Weh",

der sich allerdings von jenem dadurch unterscheidet, daß er auch gleichgeschlechtlichen Ausbeutern anheimzufallen pflegt. Die Spezies, von der ich jetzt berichte, nenne ich mal den "Mann mit dem Unterhaltungswert".

    Ich erinnere mich da an diverse Episoden...

    Der Günter und ich, wir hatten während des Studiums eine kleine halb-kooperative Rivalität laufen. Da sich unsere Beuteschemata nur wenig überlappten, ging es meistens ohne Verärgerung ab. Nur einmal gab es einen Konflikt, da hatte eine rothaarige Töpferin uns beiden schöne Augen gemacht und erwartete offensichtlich, daß wir uns ihretwegen in die Wolle kriegten. Wir waren dafür aber nicht die Richtigen und beschlossen ohne große Worte, das Schicksal (will sagen das Huhn) entscheiden zu lassen. Auf einem Hüttenwochenende kam's dann zum Showdown. Einen Nachmittag lang unterhielten wir die anwesenden Mädels mit geistreichem Humor und erotisch angefärbtem Smalltalk, und als die Henne dann abends weich gelacht war, entschied sie sich. Nicht für mich. Wenn ich mich jetzt daran erinnere, war's wohl so, daß ich die Unterhaltung lieferte und der Günter die feurigen Blicke. Shit happens.

    Dann gab es die blonde Anne. Der Günter mußte sie mit Anstand los werden, und großzügig, wie er war, bot er sie mir an. Es ließ sich gut an, die Anne rückte immer näher, und dann wollte sie wissen, was an der Kette an meinem Gürtel hing, beim Griff danach streifte ihre Hand wie zufällig das Ding, das in meiner Hose stand, und stolz zeigte ich ihr meine silberne Taschenuhr. Oh, das war ein feines Spielzeug, die Anne klappte den Deckel auf, begehrte auch, das dahinter verborgene Werk zu sehen (welch starke Symbolhandlung), und stocherte dann mit einem langen Fingernagel darin herum - dann stand sie ebenfalls, die Uhr. Ich glotzte blöde und maulte wohl etwas herum, und mein Unterhaltungswert muß sehr augenfällig und drastisch abgesunken sein. In diesem Augenblick erschien der Xaver, erfaßte die Situation mit einem Blick, setzte sich zu uns, d.h. neben die Anne, kaum 5 Minuten später waren die beiden weg, und ich saß da mit meiner stehen gebliebenen... Uhr. Die stehende Uhr mußte für teuer Geld repariert werden, das andere stand nach ein paar Minuten von selbst nicht mehr.

    Hin und wieder waren da auch Einladungen, bei denen ich ein kleines gemischtes Publikum mit erlesenen, selbstgekochten Leckereien bewirtete, und anschließend unanständige Lieder zur Gitarre sang... Aber es blieb bei Speis' und Gesang, denn ich war schließlich der Mann mit dem hohen Unterhaltungswert und sonst nichts, und bei dem eigentlich zu Speis' und Gesang gehörigen Weib blieb mir immer wieder der Schnabel sauber - meinen Gästen allerdings nicht.

    Ja, und die Rieke1. Sie war die Busenfreundin meiner Schwester, und über einen Zeitraum von sieben Jahren traf ich sie immer mal wieder. Naturblond, gut gebaut, intelligent und selbstbewußt, nahm sie mein schüchternes Balzen amüsiert zur Kenntnis, aber obwohl sie mich wegen meines Unterhaltungswertes schätzte, unterschied sie doch sehr klar zwischen Jungens (das war ich) und Männers (das waren die brustwuschelhaarigen Typen, die ihr das Bett zerwühlten). Ob sie sich auch noch einen Bohrmaschinenmann hielt, weiß ich nicht, aber ich würde keine hohen Beträge darauf wetten, daß sie keine(n) hatte. So um 1975 verloren wir einander aus den Augen, und der intimste Körperkontakt, den sie mir jemals gewährt hatte, waren freundliche Boxer auf meinen Oberarm.

    Und gestern begegnete mir also nach 37 Jahren anläßlich eines Familientreffens die Rieke wieder. Mein erster Gedanke: "Wie gut, daß die mich damals verschmäht hat..." Meine Güte, war die alt geworden. Es gab eine herzliche Begrüßung, sie fragte so beiläufig "Wie alt bist Du jetzt?", und auf meine wahrheitsgemäße Antwort hin platzte sie heraus "Da biste ja nur ein Jahr jünger als ich!" Leise gab ich zurück "Das war ich damals auch...", aber diesen dezenten Vorwurf überhörte sie elegant. Beim anschließenden Kaffeeklatsch lockte sie eine meiner besten Geschichten aus mir heraus, versicherte mir ein ums andere Mal, was für ein faszinierender Erzähler und Vortragskünstler ich doch sei, und boxte mir freundschaftlich auf den Oberarm. Als Zugabe durfte ich dann noch eine Episode aus einem Walter Moers-Roman mit verschiedenen verstellten Stimmen vorlesen, wobei sie sich vor Lachen kringelte, und dann verkündete, mein Vortrag habe ihr Appetit auf diese bis dato von ihr verschmähte Lektüre gemacht. Irgendwann verabschiedete ich mich artig und atmete auf, als die Tür hinter mir ins Schloß fiel.

    Diesmal allerdings hielt sich der Schmerz darüber, daß sich meine Daseinsberechtigung ausschließlich auf meinem Unterhaltungswert begründet, in Grenzen

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1   Die Sache mit der Rieke hat auch ein bißchen was vom ersten Teil der Schmidt'schen Erzählung "Caliban über Setebos"

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Ich hat­te die­se Zei­len schnell und in der er­sten Ge­müts­be­we­gung ge­schrie­ben. Un­ter­schwel­lig war da a­ber so et­was wie ein déjà vu... Heu­te früh ist mir ein­ge­fal­len, was da im men­ta­len Hin­ter­stüb­chen auf und ab ge­hopst war: Ein Mär­chen. Es sind im­mer wie­der die Mär­chen, die sich wie ein ro­ter Fa­den durch mein Er­le­ben und Emp­fin­den schlän­geln. Sie sind, scheint's, sehr stark und wich­tig.

 
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