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Live

- ist halt doch schöner -

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  "Meine Toch­ter woll­te mir erst nicht glau­ben, und hat dann auch ganz fas­zi­niert zu­ge­hört, ... al­les live ... aus dem In­nen­hof ge­hört... für mich ein un­ver­gess­li­ches Er­leb­nis." So er­zähl­te mir ein Kol­le­ge neu­lich in der Kaf­fee­pau­se.

  Ja, die Fas­zi­na­tion der Live-Mu­sik.

  Ich bin mu­si­ka­lisch recht un­ge­bil­det, und mein Mu­sik­ge­schmack läßt in mei­nem Be­kann­ten­kreis im­mer wie­der Au­gen­brau­en stei­gen und Köp­fe schüt­teln. A­ber ich lie­be Mu­sik (be­son­ders, wenn sie ge­le­gent­lich ei­nen har­mo­ni­schen Wohl­klang ent­hält)

  Da war ich al­so vor gut 25 Jah­ren im Früh­jahr mit mei­ner klei­nen (3 oder 4 Jah­re al­ten) Toch­ter auf ei­nem Spa­zier­gang, schlen­der­te auch ü­ber den klei­nen Fried­hof der al­ten Pfarr­kir­che, da weh­te un­ver­hofft, lei­se, ei­ne uns bei­den ü­ber­ir­disch an­mu­ten­de Mu­sik her­über. Mein Töch­ter­chen saß auf mei­nen Schul­tern und di­ri­gier­te ihr Reit­tier dor­thin, wo die be­zau­bern­den Tö­ne her­ka­men, aus ei­nem nur an­ge­lehn­ten Fen­ster des Kirch­leins. Die Kir­chen­tür auf der an­de­ren Sei­te war nicht ver­sperrt, ich ging hi­nein, und da sa­hen wir vorn, vor dem Al­tar, ein Streich­quar­tett sit­zen, von dem die schö­nen Klän­ge her­rühr­ten. Auf einer der Bän­ke lag ein klei­ner Sta­pel Flug­zet­tel mit der An­kün­di­gung einer O­ster­mes­se mit Mu­sik, auf dem Pro­gramm stan­den ein paar kir­chen­mu­si­ka­li­sche Stan­dard­stück­chen, von Bach, Mon­te­ver­di, und wie sie al­le hei­ßen, aber das, was die vier da spiel­ten, das war kein Bach. Bach ist schön, a­ber nicht be­zau­bernd. Und die vier wa­ren an­schei­nend mit dem Pro­ben fer­tig und spiel­ten jetzt zum Ver­gnü­gen.

  Fragen woll­te ich nicht, und als wir an­däch­tig lau­schend die letz­ten No­ten in uns auf­ge­nom­men hat­ten, ging ich lei­se mit mei­ner Rei­te­rin wie­der hi­naus. War ja nicht so wich­tig, wel­ches Werk es nun ge­nau war, das uns da so be­glückt hat­te.

  Interessanter­wei­se konn­te ich dann das Stück nie­man­dem vorsum­men, um zu fra­gen, was es sein könn­te, denn ich fiel im­mer wie­der in die Me­lo­die von El­vis Pres­leys "Can't Help Fal­ling in Love With You"

  Jahre später be­suchte ich mit dem näm­li­chen Kind die A­bend­vor­stel­lung eines Kin­der­films im Ki­no am Sta­chus. Ich er­in­ne­re mich noch, es war der er­ste "Pet­ters­son und Fin­dus"-Ki­no­film, da­mit kann ich's auch da­tie­ren, es war 1999 ge­we­sen. Nach dem Ki­no bum­mel­ten wir durch die Fuß­gän­ger­zo­ne Rich­tung U-Bahn, da spiel­ten auf hal­bem Weg auch die un­ver­meid­li­chen In­kas den "Con­dor pa­sa", und ein gold­bron­zier­ter Pan­to­mi­me auf einer gold­bron­zier­ten Holz­ki­ste ver­such­te stand­haft, sich nicht zu krat­zen.

  Aus dem hei­te­ren, be­reits be­stirn­ten Abend­him­mel schweb­te kurz vor dem Ma­ri­en­platz un­ver­hofft wie­der die Zau­ber­mu­sik durch un­se­re Oh­ren. In den Ar­ka­den lin­ker Hand sa­ßen (dies­mal nur) zwei Strei­cher, Vio­li­ne und Cel­lo, und üb­ten öf­fent­lich, es wa­ren wohl Stu­den­ten der Mu­sik­hoch­schu­le, die sich et­was Ta­schen­geld in den auf­ge­klapp­ten Gei­gen­ka­sten zu ih­ren Fü­ßen er­geig­ten. Ich warf ein Fünf­mark­stück in das Fut­te­ral, und dann stan­den wir zwei Hand in Hand da, denn das muß­ten wir uns na­tür­lich bis zum Schluß an­hö­ren. Als die letz­ten No­ten ver­klun­gen wa­ren, frag­te ich höf­lich: "Was war das für ein Stück?"

  Der Cel­list ver­dreh­te die Au­gen, dann ant­wor­te­te er ge­nervt: "Ka­non. In D. Von Pa­chel­bel. Jo­hann. Pee, Aaa, Cee, Haa, Eee, Ell, Bee, Eee, Ell. Ka­non in Deee." Ein ver­ächt­li­ches "Sie Ba­nau­se" zer­quetsch­te er un­hör­bar zwi­schen den Zäh­nen, wäh­rend er sich an den Stimm­schrau­ben1 sei­nes In­stru­ments zu schaf­fen mach­te. Au­dienz be­en­det.

  Kanon in D. Es ist wohl über­flüs­sig, zu be­rich­ten, daß in mei­ner iTunes-Bib­li­o­thek sich mitt­ler­wei­le ein hal­bes Dut­zend Fas­sun­gen be­fin­den, von Solo-Gi­tar­re bis Or­gel mit Or­che­ster. Aber die sind eben nicht live.


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1   Nein, nicht an den Wir­beln, son­dern an den klei­nen Fein­ein­stell­schrau­ben un­ten am Sai­ten­hal­ter. Mit nach un­ten ge­rich­te­tem Blick konn­te er mich bes­ser ig­no­rie­ren.


--black--red--orange--yellow--green--blue--indigo--violet--black-- Zuletzt aktualisiert: decet 20.3.2024